Im September 1970 nahm das Feuerlöschboot (FLB) in Frankfurt am Main seinen Dienst auf. Viele dürften das rot-weiße Boot mit seinen imposanten Wasserfontänen vor allem von Veranstaltungen kennen. Dabei hat das FLB im vergangenen halben Jahrhundert bei etlichen Einsätzen eine entscheidende Rolle gespielt und hat bis heute eine wichtige Funktion. Weil sich die Stadt verändert und weil es immer schwerer wird, Ersatzteile zu finden, denkt man im Jahr des Jubiläums auch über die Zukunft des Oldtimers nach.
Um kurz nach sieben an einem Julimorgen in diesem Sommer an der Niederräder Anlegestelle legt die Besatzung routiniert Rettungswesten und letzte Handgriffe an. Sie machen sich und das Frankfurter Feuerlöschboot, kurz FLB genannt, fertig zur Ausbildungsfahrt, „bergauf“, bis Seligenstadt. Mit tiefem Grollen erwachen die beiden Hauptmaschinen, zwei Leinen werden noch gelöst und dann wird das rund 30 Meter lange, sechseinhalb Meter breite und schon unzählige Mal rot-weiß gestrichene Frankfurter Feuerlöschboot mit seinen beeindruckenden Wasserkanonen behutsam vom Steg gesteuert.
„FLB 41/77-1 zur Streckenkunde unterwegs, flussaufwärts“, gibt Dennis Windgass, der junge Oberbrandmeister vom Steuerstand aus per Funk an die Leitstelle der Feuerwehr Frankfurt durch: „Damit die Kollegen für den Alarmfall wissen, dass das Boot unterwegs ist“. Das Doppelschraubenschiff mit rund 1.400 PS arbeitet sich in den nächsten Stunden Mainkilometer für Mainkilometer und Staustufe für Staustufe den Fluss hoch. Wer gerade nicht als Steuermann – unterstützt von Radar, Flusskarte und Ausbilder – durch die Fahrrinne lenkt, ist an Deck und prägt sich Streckenabschnitte, Häfen, Industrieanlagen ein und hilft als Decksmann beim Schleusen.
Das Einsatzgebiet des Feuerlöschboots erstreckt sich jenseits des Stadtgebiets bis Ginsheim-Gustavsburg an der Rheinmündung, in die andere Richtung ging es bis vor kurzem bis zur bayrischen Landesgrenze. Seit zwei Jahren hat Hanau ein etwas kleineres Hilfeleistungslöschboot (HLB). Wenn das gewartet wird, oder Unterstützung braucht, ist das größere Frankfurter Feuerlöschboot aber doch immer wieder gefragt. „Die Einsätze sind nicht sehr häufig, aber wenn es drauf ankommt, ist das FLB unersetzlich“, erklärt Dennis Windgass. Der 31-jährige Feuerlöschbootmaschinist gehört seit fünf Jahren zur Springer FLB-Besatzung. Das Boot wird von den Dienstgruppen der Wache 41 in Niederrad in Springerfunktion erst ab dem Moment besetzt, in dem es alarmiert wird.
„Neben der Hauptaufgabe der Brandbekämpfung, kann das Boot havarierte Schiffe freischleppen, Passagiere und Besatzungen in Sicherheit bringen. Es ist da, wenn Öl aus Tankschiffen ausläuft. Vor einigen Jahren haben wir als Eisbrecher festgefrorenen Polizeibooten im Osthafen geholfen“, gibt Windgass das Einsatzspektrum wieder. „Auf unserem Main-Abschnittt haben wir reichlich Industrie, große Öllager und wenn man sich ansieht, wieviel Gefahrgut per Schiff unterwegs ist, ist ein solches Boot sehr wichtig. Auch im Hinblick auf die steigende Zahl der Fahrgastschiffe auf dem Main stellt das FLB ein wichtiges Rettungsmittel dar.“ Die Löschboot-Besatzung hilft auch, Menschen aus dem Wasser zu retten oder zu bergen. Das FLB wird außerdem häufiger zur Unterstützung bei Großbränden gerufen, um Löschwasser aus dem Main bereitzustellen – wie zuletzt, als das Restaurant „Blaues Wasser“ am Mainufer ausbrannte.
Angeschafft wurde das Feuerlöschboot 1970 nach einigen fatalen Unfällen und Beinahe-Katastrophen in der deutschen Binnenschifffahrt für seinerzeit 1,3 Millionen D-Mark. Die weitsichtige Entscheidung erwies sich schnell als richtig: Kein halbes Jahr später half das Boot bei einem verheerenden Großbrand im Linde-Kältetechnikwerk in Mainz-Kostheim. Wenige Monate später explodierte erst in Raunheim und dann im Offenbacher Hafen jeweils ein Tankschiff, das Löschboot kam mit seinen Schaum-Kanonen zur Hilfe. Auch der Brand der Oper Frankfurt 1987 ist ein trauriger Meilenstein in der Geschichte des Löschboots. Es stellte hier die Löschwasserversorgung sicher, genauso nach dem Zusammenstoß von zwei Güterzügen im Südbahnhof 1997.
Im Laufe der Zeit wurde das Frankfurter Feuerlöschboot Stück für Stück modernisiert. Der alte Fahrstand mit hölzernem Steuerrad wich einer ergonomischen Lösung. Der Schiffsführer hat den Radarschirm seither im Blick und kann die beiden Hauptmaschinen und die vier Flächenruder per Drehhebel bedienen. Die großen Schaum- und Wasser-Werfer an Deck sind einfacher und sicherer zu handhaben und bieten mehr Schaumarten und Sprühstärken. Suchscheinwerfer kamen hinzu und ein hydraulischer 4-Tonnen-Teleskopkran am Heck, mit dem das FLB gesunkene Autos oder Sportboote aus dem Main bergen kann.
Das Feuerlöschboot ist heute trotz allem eine alte Dame. Die Instandhaltung ist teuer, Ersatzteile sind schwer zu kriegen. Kleine Reparaturen und Wartungsarbeiten erledigen Dennis Windgass und seine Kollegen selbst, wenn sie nicht im Löschfahrzeug, Rettungswagen oder auf dem Wasser im Einsatz sind. „Es ist eigentlich immer irgendetwas zu tun, aber ich mache das gerne“, erzählt Windgass. „Als Kind hatte es mir das kleine Feuerlöschboot in der Freiwilligen Feuerwehr Flörsheim am Main schon angetan.“ Vor der Feuerwehrausbildung habe er als Kfz-Technikermeister in einer Oldtimer-Kfz-Werkstatt gearbeitet. „Da passt es gut, dass ich jetzt hier mit für das Frankfurter Feuerlöschboot verantwortlich bin.“ sagt er grinsend.
Vor der Mühlheimer Staustufe erklingt über den Bordfunk eine Bitte des Schleusenpersonals. „Es gibt eine seit zwei Tagen vermisste Person laut Polizei. Kann die Besatzung bitte im Wasser unmittelbar vor und nach der Schleuse die Augen aufhalten. Nur zur Sicherheit. Danke.“ Windgass steuert die Schleusenkammer extrem langsam an. Ein Schiff kann, anders als ein Landfahrzeug, nicht einfach so bremsen, schon gar nicht, wenn es 150 Tonnen wiegt. „Das kommt schon häufiger vor“, sagt er zum Hilfeersuchen. Er meldet der Schleuse später „negativ“. Schleusen dauert. Tor auf, rein, Tor zu, Wasser rein, Tor auf, raus – das sind mindestens 20 Minuten. Aber nur ohne Stau oder Gegenverkehr. Wenn das FLB zum Einsatz muss hat es wie die Feuerwehrfahrzeuge auf der Straße allerdings Vorfahrt.
Auf dem Rückweg Richtung Frankfurt übt die Mannschaft mit dem Rettungsbeiboot und den Umgang mit den verschiedenen Wasserwerfen. Bis zu 18.000 Liter Wasser pro Minute können 90 bis 120 Meter weit geworfen werden. Zum Vergleich: Aus einem gängigen Schlauch eines Löschfahrzeuges kommen in der Regel 400 Liter in der Minute. Die Schaumwerfer bleiben heute unberührt, aber im Bedarfsfall – beim Brand auf einem Tankschiff etwa – leisten sie Beachtliches: Umgerechnet könnten sie ein Fußballfeld etwa sieben Meter hoch mit Schaum bedecken.
Die Frankfurter Skyline kommt wieder in Sicht. Im Stadtgebiet heißt es, Geschwindigkeit maximal drosseln. Die Welle, die das Feuerlöschboot macht, ist nicht unerheblich für Ruderboote und Standup-Paddler. Am späten Nachmittag legen Boot und Mannschaft wieder in Niederrad an. Dort liegt auch das Rettungsschnellboot der Feuerwehr Frankfurt. Es wird wegen seiner hohen Geschwindigkeit und Wendigkeit häufiger als das Löschboot, zur Menschenrettung eingesetzt und ist ständig mit zwei Feuerwehrkollegen und im Bedarfsfall mit einem zusätzlichen Rettungsschwimmer besetzt. Alles gehört zur Wache 41 auf der anderen Seite der Straße „Am Niederräder Ufer“.
Neben einer bestimmten Zahl an Einsatzkräften und Fahrzeugen haben die meisten der zwölf Standorte der Frankfurter Berufsfeuerwehr ihre Spezialgebiete. Anderswo sitzen z.B. die Höhenrettung oder der Sonderdienst Umwelt und Sicherheit. Hier ist es die Wasserrettung in Zusammenarbeit mit den Tauchern der Wache 40 im Ostend. Thomas Schmitt, der Wachleiter in Niederrad, sitzt in seinem Büro mit Dieter Ebert, einem der ersten Schiffsführer des Löschbootes vor 50 Jahren. Sie sehen sich Fotoalben mit alten Aufnahmen an. Der Pensionär erzählt von den Einsätzen in seinen 33 Jahren auf dem Schiff als wäre es gestern und ist stolz, dass es immer noch in Betrieb ist: „Es ist halt auch nach so vielen Jahren immer noch eins der schlagkräftigsten Boote seiner Art“.
Der Wachleiter nickt. In der feuerwehreigenen Weitsicht macht sich Thomas Schmitt im Moment aber auch Gedanken über die Zukunft: „Wir erstellen gerade eine neue und umfassende Bedarfsanalyse. Welche Gefahrenszenarien gibt es heute? Und passt das FLB dazu oder brauchen wir andere Lösungen? Was verändert sich durch ufernahes Bauen von Wohnungen? Durch mehr Passagierschifffahrt?“ Welcher Bedarf sich aus der Analyse ergibt, und was das für das rot-weiße Löschboot bedeutet, ist längst nicht spruchreif. Dennis Windgass und seine Kollegen haben das Boot festgemacht und beenden ihren Ausbildungsdienst. Eine ganze Weile lang wird das Feuerlöschboot zweifellos noch weiter instandgehalten und die Stadt und seinen Flussabschnitt vom Main aus zuverlässig beschützen.
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Quellen:
Feuerwehr Frankfurt am Main
Fotos: Feuerwehr Frankfurt am Main